Das alles ist Deuscthland. Jan Böhmermann im NRW-Forum

Ein Tag nach der Eröffnung der Ausstellung „Deuscthland“ entrüstet sich Jan Böhmermann in seinem Podcast „Fest & Flauschig“ über eine Frage, die ihm wohl immer wieder und von vielen Seiten auf der Vernissage gestellt wurde: „Wieso machen Sie das?“ Ja, wieso macht Jan Böhmermann eine Ausstellung? Diese Frage ist legitim, und es liegt sogar eine Antwort nahe, wenn man sich Böhmermanns Aktionen der jüngeren Vergangenheit vor Augen führt. Und zwar: Um unseriöse Vorgänge des Kunstbetriebs vorzuführen. Wie er einen falschen Kandidaten in die RTL-Sendung „Schwiegertochter gesucht“ einschleuste, um die abscheulichen Bedingungen aufzudecken, unter denen sich die Kandidaten in die Vorführhölle begeben, könnte er sich doch nun selbst in die Kunstwelt einschleusen, um zu zeigen, wie gemein es dort zugeht. Oder wie dröge. Die Frage „Warum machen Sie das?“ könnte also auch einfach einer Skepsis geschuldet sein, einem An- und Austesten, wie weit Jan Böhmermann diesmal gehen wird, welches schelmenhafte Ziel er wohl mit seiner jetzigen Aktion verfolgt.

Ist die Frage aber genauso gedacht, wie sie daherkommt: „Warum machen Sie Kunst?“, und meint es Jan Böhmermann ernst mit dem Ausprobieren des neuen Formats, der Kunstausstellung, dann muss man seine Entrüstung nachvollziehen, denn dann ist sie als Skepsis gegenüber der dargebotenen Kunst zu verstehen und somit als Abwertung seiner Leistung. Denn bei dieser Frage handelt es sich in der Kunstwelt eigentlich um ein Tabu. Es gehört schlichtweg nicht zum guten Ton, einen Künstler zu fragen, warum er Kunst macht. Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum die Frage normalerweise nicht gestellt wird: Und zwar um das „Rätsel Kunst“ zu wahren. Oder anders formuliert, aus Angst, und zugleich in dem Wissen, dass es darauf keine Antwort geben kann.

Es gibt nur einen, der diese Frage stets freiwillig stellt und im gleichen Atemzug auch sehr smart beantwortet: Jeff Koons. Erst in diesem Jahr lüftete er das Geheimnis seiner Motivation in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Meine Arbeiten sollen Lebensenergie und Zuversicht wecken und die Menschen anspornen, das Beste aus sich herauszuholen und ihr Leben so intensiv wie möglich zu genießen.“ Und weiter: „Ich möchte das geistige Wachstum der Menschen anregen und ihnen helfen, die eigene Geschichte zu umarmen.“ Etwas in dieser Manier, eine ähnliche Farce, hätte man auch von Böhmermann – im Gewand der Ironie, versteht sich – erwarten können.

Es gibt Indizien dafür, dass es sich bei der Kunstausstellung von Jan Böhmermann (leider) nicht um eine Schelmengeschichte handelt. Ein Indiz ist, dass er die Frage in seinem Podcast eben doch für wichtig nimmt. Woran man das merkt? Er beantwortet sie ernsthaft. „Viele Sachen, die guten Sachen, kann man eigentlich nicht im Fernsehen machen, weil die eigentlich da nicht funktionieren. Und vor allem die doofen Sachen kann man im Fernsehen nicht machen. Und vor allem war das so ne schöne Möglichkeit, was zu bauen, was man auch in der Hand hat.“ erzählt er Olli. Und zum Schluss seiner Reflexion über die Ausstellung wird er sogar noch trotzig, wenn er neidvolle Künstlerkollegen imitiert: „Wieso machen Sie das – uns nicht ich?“

Deuscthland © NRW-Forum Düsseldorf / Foto: B. Babic

Ein anderes Thema, über das sich Jan und Olli amüsieren, ist die Unterscheidung der Journalisten und Kunstweltmenschen zwischen ‚echten‘, professionellen Künstlern und ‚unechten‘ Künstlern. Der Kommentar von Böhmermann dazu: „Wer von sich behauptet, er ist professioneller Künstler, der ist kein professioneller Künstler, sondern ein Arschloch.“ Nun, diese Antwort muss man sich leisten können, und Böhmermann kann sie sich leisten, weil es für ihn nicht mehr entscheidend ist, unter welchem Label er auftritt. In diesem Sinne ist auch die beste Arbeit jene, für die Böhmermann in den Malerkittel schlüpft und Ölbilder von Politkern anfertigt (oder anfertigen lässt), diese schließlich mit herrlich klugen, manchmal bösen Titeln versieht und im Trailer für die Ausstellung das Lied „Deutschland“ der Prinzen als Gedicht aufsagt. Es wäre schön gewesen, hätte die Ausstellung ausschließlich aus Ölschinken und Künstlervideos und Fotobüchern vom Maler im Atelier (davon lag auch eines aus) bestanden. Dann hätte man es als Intervention in und nicht als Bestätigung von (überkommenen) Kunstklischees lesen können.

Die Ausstellung ist insofern gelungen, als sie Werke zeigt, die der Logik zeitgenössischer Kunst entsprechen. Gerade hat man noch im Kunstbetriebsfilm „The Square“ die Persiflage eines Kunstwerkes vorgeführt bekommen: Dort wird der Eingang der Ausstellung durch einen Schalter ersetzt, an dem man sich entscheiden muss, ob man den Menschen vertraut – wenn dem so ist, sollen die Besucher nach rechts gehen und im Anschluss ihr Handy in eine Installation legen, wo es theoretisch auch von anderen Besuchern weggenommen werden könnte (aber man vertraut ja). Misstraut man den Menschen, soll man den linken Eingang passieren und kann sein Handy behalten. Daran muss man als versierter Kunstbetriebsmensch denken, wenn man Böhmermanns Schranke passiert, die Deutschen und Nichtdeutschen ihren je eigenen Eingang zuweist. Und auch dort muss man sein Handy abgeben, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Es ist ein Kunstwerk im zeitgenössischen Sinne.

Screenshot aus „The Square“, 2017

Es sind also Kunstwerke, die man vorfindet, darunter auch einige gute. Man hätte ja auch Sendungen von Böhmermann als Videoinstallationen ausstellen können. Laut der Bild-Zeitung sei Alain Bieber, der Direktor des NRW-Forums, ja während einer Böhmermann Late-Night-Sendung auf die Idee der Ausstellung gekommen: „Das war Videokunst.“

Die Arbeiten sind natürlich nicht zuletzt deshalb gut, weil sie auf das Wissen zurückgreifen, das der Zuschauer vom sonstigen Schaffen Böhmermanns hat. Und im direkten Vergleich muss man sagen, dass die Fernsehsendungen und Online-Auftritte humorvoller (somit auch vieldeutiger) und assoziationsreicher sind. Dadurch wird deutlicher als in jeder anderen Ausstellung, wie defizitär Kunst gegenüber anderen Medien sein kann. Zumindest dann, wenn man sie mit einem Unterhaltungsformat (Fernsehen, Podcast, Social Media), dem Satire-Genre und einem so ausgezeichneten Entertainer wie Jan Böhmermann konfrontiert. Eine Sendung „Neo Magazin Royale“ oder „Fest & Flauschig“ sind einfach unterhaltsamer, klüger und lehrreicher als die Wanderuniform Angela Merkels hinter einer Vitrine mit ein paar paparazzi-mäßigen Fotos und der gefälschten Erlaubnis aus dem Bundeskanzlersekretariat. In diesem Zusammenspiel oder Vergleich wird vor allem deutlich, was Kunst nicht mehr kann, worin Kunst schlecht geworden ist: in Immersion und Entertainment.

Das ist keine neue Erkenntnis, deshalb hat man dahingehende Ansprüche, die in der Geschichte der Kunst zunächst mit „delectare et prodesse“ (Kunst soll dem Rezipienten sowohl Vergnügen bereiten als auch ‚etwas bringen’) verbalisiert wurden, im letzten Jahrhundert kaum noch erhoben. Nicht zuletzt, weil sich in dieser Zeit andere Medien, Design, das Kino, das Radio, das Fernsehen, das Internet zum Einlösen solcher Ansprüche eher angeboten haben.

Eigentlich ist es interessanter, die Frage „Warum machen Sie das?“ an den Direktor und Initiator Alain Bieber zu richten. Warum machen Sie eine Ausstellung mit Jan Böhmermann, Herr Bieber? In einem Interview mit jetzt.de hat er auf eine ähnliche Frage (Welchen Stellenwert hat Jan Böhmermann als Künstler?) geantwortet: „Als Künstler wird er bisher leider nicht wirklich wahrgenommen. Viele Kritiker tun ihn immer als ‚Moderator‘ ab, was seiner Rolle aber nicht gerecht wird. Er hat sich sehr verändert, Böhmermann wird immer politischer in dem, was er tut. Ich finde es wirklich gut, dass jemand, der auch ein jüngeres Publikum erreichen kann, das nutzt, um eine Haltung zu wichtigen Themen zu transportieren.“ Es geht also darum, Böhmermann in die Sphäre der Hochkultur zu erheben, wird doch in dieser Aussage Kunst zur Aufwertung einer anderen Tätigkeit hergenommen: der Moderation. Zugleich werden zwei Ansprüche formuliert, die Bieber möglicherweise eher an das NRW-Forum stellt und durch Böhmermann erfüllt sieht: eine politische Haltung und das Ansprechen eines jungen Publikums. Es geht also darum, mehr Menschen zu adressieren, jüngere Menschen. Mehr von ihnen ins Museum zu locken. Und das geht eben am einfachsten mit einem Fernsehstar und genügend Unterhaltung. Der Anspruch, Kunst muss unterhalten und einem im besten Fall auch intellektuell-politisch ‚etwas bringen‘ – das „delectare et prodesse“ –, ist also wieder in der Welt und zwar als Resultat der Bestrebungen, mehr (jüngere) Menschen ins Museum zu bringen. Letzteres ist ihm jedenfalls schon gelungen, die Schlange am Eingang zur Vernissage war etwa 300 Meter lang. Welches Museum kann schon für ein solches Spektakel sorgen?

Zur Eröffnung hat Böhmermann Chilly Gonzales auftreten lassen, und im Podcast zeigt er sich entsetzt darüber, wie wenig Respekt das Kunstpublikum dem Musiker am Piano gezollt hat. Nicht mal der gastronomische Betrieb wurde eingestellt, auch haben einfach alle weiter geplaudert und weiter getrunken. Schließlich kam er zu dem Ergebnis, dass das Kunstpublikum nicht viel mehr als besoffene Vollidioten sind und die Vernissage „ne Party für Assis“. (Offenbar geht es auf schicken TV-Galas anders zu.) Am schönsten aber war die Erwiderung von Olli Schulz: „Eventkultur, ist leider so.“ Und da war sie perfekt, die verkehrte Welt.

 

Die Ausstellung läuft bis 4. Februar 2018

Deuscthland © NRW-Forum Düsseldorf / Foto: B. Babic

 

Titelbild: Deuscthland © NRW-Forum Düsseldorf / Foto: B. Babic

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