Universität Siegen, Wintersemester 2021/22
ÄSTHETIK UND THEORIE DES NIEDLICHEN
Vielerorts wurde in den letzten Jahren die Bedeutung von „Cuteness“ als einer globalen Waren- und Alltagsästhetik konstatiert. Nicht mehr nur Nippes im häuslichen Umfeld, sondern insbesondere die Kommunikation im Social Web wird zunehmend beherrscht von niedlichen Formen der (Selbst-)Darstellung. Selfies mit entsprechenden Filtern, sogenannter „Catcontent“, Sticker und allen voran Emojis – die Joel Gn einst „Language of Cuteness“ nannte – prägen den digitalen Alltag. Was auf den ersten Blick nach einer harmlosen, gar banalen Ästhetik aussieht, ist auf den zweiten Blick ein wirkungsvolles Machtinstrument. Indem die Ästhetik des Niedlichen Schwäche, Unterwürfigkeit und Demut mit Einfluss, Herrschaft und Kontrolle verbindet, Zuneigung auf Autorität und Harmonie auf Hierarchie treffen lässt, kommuniziert sie Machtverhältnisse, ja wird zum Austragungsort von Machtspielen.
Was ist niedlich? Welche Effekte gehen mit der Ästhetik einher? Worin unterscheidet sie sich vom Schönen und Erhabenen einerseits und vom Hässlichen und Ekligen andererseits? Wo tritt Niedliches in Erscheinung? Anhand von Beispielen aus Kunst und Populärkultur von Emyra Duff bis K-Pop sowie vielbeachteten Texten zur Cuteness von Sianne Ngai bis Simon May werden wir diesen Fragen auf den Grund gehen.
Universität Hildesheim, Wintersemester 2021/22
DIGITALE KULTURTECHNIKEN
Computer und Smartphones sowie das Internet und die Sozialen Medien sind Teil des alltäglichen Lebens und haben in den letzten 30 Jahren neuartige kulturelle Praktiken etabliert, die körperlich habitualisiert und routiniert wirksam werden.
Kulturtechniken werden gemeinhin als „Verfahren der Erzeugung von Kultur“ (Harun Maye) definiert und ihre Analyse zielt oftmals auf die Auseinandersetzung mit den aus neuen Techniken hervorgegangenen Kommunikationsformen sowie Denk- und Wahrnehmungsweisen: „Der iPod hat nicht nur die gesamte Musikindustrie verändert, sondern auch die Art und Weise, wie wir alle Musik hören!“, so leitete Steve Jobs seine legendäre Rede zur Einführung des ersten iPhones als Weiterentwicklung des iPods ein und deutete damit die weitreichenden Folgen des Geräts für die Wahrnehmung und Funktion von Musik an.
Beginnend beim Personal Computer haben mittlerweile eine Reihe von neuen Geräten und Programmen auch neue Kulturtechniken erzeugt: Man „surft“ durch das Internet, „googelt“ nach Begriffen und „scrollt“ sich durch die Ergebnisse. Man „chattet“ mit Freunden, Bekannten oder Kollegen, „liked“ Postings auf Facebook, Instagram oder Twitter und „setzt Hashtags“, um Postings zu adressieren oder sich zu vernetzen. Man „streamt“ Inhalte in Echtzeit ins Netz, „erstellt Storys“ und „skippt“ die der anderen. Das sind nur einige wenige Praktiken, die den digitalen Alltag prägen.
Im Seminar werden wir uns mit der Frage beschäftigen, wie eine Kulturtechnik zu definieren ist und ausgewählte Praktiken des Digitalen vor diesem Hintergrund analysieren. Wir lesen u.a. Texte von Marcel Mauss, Marshall McLuhan und Erhard Schüttpelz, sowie Geert Lovink, Limor Shifman und Felix Stadler.
Cultural Techniques of the Digital
Computers and smartphones as well as the Internet and Social Media are part of our everyday life and have established new kinds of cultural practices in the last 30 years that become physically habitualized and routinely effective.
Cultural techniques are commonly defined as „procedures for the production of culture“ (Harun Maye), and their analysis often aims to engage with the forms of communication and modes of thought and perception that have emerged from new techniques. „The iPod has not only changed the entire music industry, it has changed the way we all listen to music!“: in this way Steve Jobs introduced his legendary speech introducing the first iPhone as an evolution of the iPod, hinting at the device’s far-reaching consequences for the perception and function of music.
Starting with the personal computer, a series of new devices and programs have now also generated new cultural techniques: one „surfs“ through the Internet, „googles“ for terms and „scrolls“ through the results. One „chats“ with friends or colleagues, „likes“ posts on Facebook, Instagram or Twitter and „sets hashtags“ to address posts or to network. People „stream“ content online in real time, „create stories“ and „skip“ those of others. These are just a few practices that characterize everyday digital life.
In the seminar we will deal with the question of how to define a cultural technique and analyze selected practices of the digital against this background. Among others we will read texts by Marcel Mauss, Marshall McLuhan and Erhard Schüttpelz, as well as Geert Lovink, Limor Shifman and Felix Stadler.
Ästhetik und Theorie der Sozialen Medien, Universität Siegen, Sommersemester 2021
Universität Siegen, Wintersemester 2020/21
STRATEGIEN DER ERMÄCHTIGUNG
Die im Zeitalter der Aufklärung formulierte Forderung nach der Gleichheit aller Menschen hat bis heute nicht an Notwendigkeit und Relevanz eingebüßt. Denn mit ‚den Menschen’, die in der ‚Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte‘ explizit adressiert wurden, waren und sind bis heute keineswegs alle Menschen gemeint – ausgenommen waren z.B. Frauen oder People of Color.
Das bereits zur Aufklärung vorherrschende Spannungsverhältnis zwischen Gleichheitspostulaten auf der einen Seite und den real existierenden Verhältnissen, die von Ungleichheit, Sexismus und Rassismus geprägt waren, auf der anderen Seite ist weiterhin bestehen geblieben und regt Minderheiten und Benachteiligte bis heute zu Widerstand an.
Durch das Social Web haben sich die Möglichkeiten der Partizipation an öffentlichen Diskursen und auch deren Beeinflussung fundamental verändert. Grundsätzlich kann jede*r die eigene Stimme erheben, sich in Communities zusammenfinden und Protestformen etablieren; umkehrt verändert das auch die ‚analoge‘ Demonstrationskultur, wie sie aktuell und insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie oder der Black Lives Matter-Bewegung eine Renaissance erlebt.
Um sich selbst oder andere zu ermächtigen, um sich einer Gleichheit zumindest anzunähern, haben sich im Aktivismus, in der Kunst, und auch in der Werbung verschiedene Strategien der Ermächtigung und durch sie auch Ästhetiken des Widerstands etabliert: Zu den gängigsten gehören Provokation, Empowerment, Affirmation und Subversion.
Im Seminar werden wir uns theoretisch mit diesen Strategien befassen und sie praktisch anhand der Analyse verschiedener Bewegungen des 20. und 21. Jahrhunderts und ihrer Aktionen untersuchen.
SOZIALFIGUREN DER GEGENWART
Universität Siegen, Sommersemester 2020
Ob Influencerin oder Nerd, Girlboss oder Start-Up-Unternehmer, Troll oder Moralist, Fanatikerin oder Alter Weißer Mann – bei all diesen Typen könnte es sich um relevante Sozialfiguren der Gegenwart handeln. Sozialfiguren sind ein Werkzeug, „um denjenigen Fragen nachzugehen, die den Menschen der Gegenwartsgesellschaft ‚unter den Nägeln brennen‘“, wie es in einem der wenigen grundlegenden Aufsätze zur Sozialfigur (von Sebastian J. Moser und Tobias Schlechtriemen) heißt. Sozialfiguren dienen den Menschen also dazu, sich zu artikulieren. Im Seminar werden wir uns mit den Fragen beschäftigen, welche Sozialfiguren unsere Gegenwart beschreiben und in welcher Weise sie das jeweils tun. Auf Grundlage von journalistischen Artikeln, Zeitgeisttexten, bildnerischen und filmischen Artefakten werden wir untersuchen, welche gesellschaftlichen, kulturellen, politischen Gründe es für die Entstehung der jeweiligen Sozialfigur gab und welche Gegenwartsdiskurse durch sie entstanden sind und transportiert werden.
Universität Siegen, Wintersemester 2019/2020
KULTURTECHNIKEN DER SOZIALEN MEDIEN
Wir „chatten“ mit Freunden, Bekannten oder Kollegen. Wir „googeln“ nach Begriffen, „scrollen“ durch die Ergebnisse der Suchmaschine und „surfen“ durch das World Wide Web. Wir „liken“ Postings auf Facebook, Instagram oder Twitter und „setzen Hashtags“, wenn wir eigene Postings adressieren und uns vernetzen wollen. Wir „reposten“ Bilder, Texte, Videos, die uns mehr als nur gefallen, mit denen wir uns identifizieren und „screenshotten“, woran wir uns erinnern wollen. Wir „machen Selfies“, „verwenden Filter“ und „verlinken“ Freunde auf unseren Bildern. Wir „streamen“ unser Leben ins Netz, „erstellen Storys“ und „skippen“ die der anderen, wenn sie uns nicht gefallen.
Durch die Nutzung des Internets und sozialer Medien haben sich eine ganze Reihe neuer Kulturtechniken etabliert, die in alltäglichen und routinierten Praktiken wirksam werden. Im Seminar werden wir uns mit der Frage beschäftigen, wie eine Kulturtechnik zu definieren ist, worin sie sich von anderen Techniken unterscheidet und inwiefern die genannten Netzpraktiken als Kulturtechniken verstanden werden können.
Im Seminar wird außerdem ein Über- und. Einblick in die geisteswissenschaftliche Literatur zu verschiedenen Internetpraktiken gegeben.
Universität Siegen, Sommersemester 2019
NETZFEMINISMUS
Durch neue Kommunikationsformen und Bildproduktionen in den Sozialen Medien hat der Feminismus eine neue Dynamik erfahren. Auf Twitter wurde mit #aufschrei oder #metoo ein Diskurs über sexuellen Missbrauch entfacht, auf Instagram werden innerhalb der Bodypositve-Bewegung traditionelle Rollenmuster kritisch hinterfragt und ein Gegenprogramm zu bestehenden Schönheitsnormen und Körperidealen entwickelt.
Im Seminar wollen wir den Kampfplatz um das „richtige“ Bild der Frau betreten, das in den Sozialen Medien nicht nur metaphorisch zur Debatte steht. Wir werden dabei besonders die Kultur- und Diskursgeschichte der weiblichen Bildpolitik in den Fokus nehmen – von den Emanzipationsbewegungen im frühen 20. Jahrhundert bis zum netzfeministischen Bilderstreit der Gegenwart.
Universität Siegen, Wintersemester 2018/2019
KÖLN IN DEN 80ERN: SZENE STORIES
Die 1980er Jahre standen im Zeichen der Regierung Kohls, der Gründung der Grünen, von Challenger, Tschernobyl und Waldsterben. Neben dem popkulturellen Mainstream gab es starke Independent-Szenen; neben dem aufkommenden Musikfernsehen kleine Fanzines. Darunter die in Köln gegründete Zeitschrift SPEX, die unter Redakteuren wie Diedrich Diederichsen, Jutta Koether oder Clara Drechsler und in ihrer Verbindung von Pop, Theorie und Politik zu einem der wichtigsten kulturellen Organe der Republik gehörte. Ebenfalls im Köln der 80er Jahre entstand die Künstlergruppe „Mülheimer Freiheit“, in der sich Maler der „Neuen Wilden“ zusammenfanden und die sich ebenfalls als Dissidenten begriffen – gegenüber einer Politik und Kultur, die als apathisch empfunden wurde. Dabei zeichnete sich der „Aufstand gegen eine leergelaufene Protestkultur der 68er, […] gegen müdes Engagement, billig gewordene Moral und selbstgerechte Revolutionsnostalgie“ (Helge Malchow) durch eine Hinwendung zur Pop- und Massenkultur aus.
Universität Siegen, Wintersemester 2018/2019
KULTURBLOG SCHREIBEN
Als Autor*in eines (Kultur-)Blogs kann man für mehr Sichtbarkeit der eigenen Themen sorgen und den Austausch mit Gleichgesinnten forcieren. Aber wie beginnt man einen Blog? Welche thematische Ausrichtung gibt man ihm? Wie findet man relevante Themen? Welche journalistischen Formate eignen sich? Wie vernetzt man sich? Wie sehen Kooperationen mit Institutionen aus? Wie bereitet man Inhalte für Soziale Medien vor? Was ist ein Blogger-Event und wie läuft ein Insta-Meet ab?
Im Seminar werden wir diese Fragen beantworten. Im Zentrum steht das Erproben verschiedener Textgenres: Wir schreiben und analysieren Rezensionen, Kommentare, Glossen und Berichte. Wir erfinden Hashtags, formulieren Tweets, und machen Bilder für Instagram.
Universität Siegen, Sommersemester 2018
Der Nerd
Er trägt Hornbrille, haust im Keller, ist asozial, misanthropisch, allergisch, unbeliebt bei Frauen; er ernährt sich von Tiefkühlpizza und interessiert sich in besonderem Maße für Technik und Computer: der Nerd. In Literatur, Filmen, Serien und Medienberichten der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit wurde der Nerd zu einer der wichtigsten Kulturfiguren. Eine Analyse dieser populären Figur erlaubt es, den Blick auf das Selbstverständnis einer Gesellschaft freizulegen, die entsprechende Werte, Sichtweisen und Interessen in die Schlüsselfigur des Nerds projiziert hat. Im Seminar werden wir anhand der Analyse zahlreicher literarischer, journalistischer und filmischer Beschreibungen des Nerds Rückschlüsse auf den Stellenwert und das Verständnis von Theorie, Technik und Arbeit ziehen, auf die Rolle der Frau sowie auf die gesellschaftliche Bedeutung von Popkultur (die der Nerd begehrt) und Hochkultur (die den Nerd nicht interessiert).
Wir werden außerdem nachvollziehen, wie der Nerd in den letzten Jahrzehnten einen Image-Wandel vollzogen hat: vom sonderlichen Außenseiter zum charakterstarken, hochintelligenten Einzelgänger.
Dazu werden wir neben literarischen Darstellungen auch Filme und Serien untersuchen. Z. B. Freaks and Geeks (1999-2000); The IT Cowd (2006-2010), The Big Bang Theory (seit 2007), The Social Network (2010), Scott Pilgram vs. The World (2010).
Universität Siegen, Wintersemester 2017/2018
Autorschaft in den sozialen Medien
Der Brief, das Tagebuch, die Fotografie, der Film, das Interview und mittlerweile auch soziale Medien wie Facebook, Twitter und Instagram – all das sind Medien, mit denen Autoren sich selbst inszenieren. Anhand einer Reihe von Beispielen – insbesondere der ‚Medienautoren‘ im 20. Jahrhundert (Stefan George, Thomas Mann, Hans Magnus Enzensberger, Peter Handke uvm.) soll die Frage gestellt werden, auf welche Weise die Autoren ein Bild von sich selbst entwerfen. Welche Narrative gebrauchen sie (Autor als Genie, Provokateur, Einzelgänger), mit welchem Habitus treten sie auf (Pfeife rauchen), welche Attribute legen sie sich zu (Hut, Hornbrille). Wir sehen uns die medialen Strategien an: Von den „Bekenntnissen“ des Philosophen Jean Jaques Rousseau bis hin zu den Facebook-Posts der Autorinnen Ronja von Rönne und Stephanie Sargnagel.
Wir lesen die Primärtexte der Autoren und klassische Texte zur Theorie der Autorschaft. Im Mittelpunkt steht die Arbeit an Beispielen. Wir untersuchen Autorenauftritte und Interviews in Radio, Fernsehen und im Netz, analysieren Autorenportraits und interpretieren Facebook-Einträge, Instagram-Posts und Tweets.
Universität Siegen, Sommersemester 2017
Livestreaming-Medien und neue Mündlichkeit
Livestreaming wird als einer der wichtigsten Social Media Trends verhandelt. Dabei gewinnt das Medienformat nicht nur aus Sicht von Konsumenten an Popularität, sondern wird vor allem als Werkzeug zur Kommunikation immer selbstverständlicher. Neben früheren Live-Formaten aus Radio und Fernsehen muss vor allem die Verbildlichung der Sprache durch beispielsweise Emojis oder Gifs innerhalb der Echtzeit-Kommunikation als Wegbereiter gegenwärtiger Live-Kommunikation angesehen werden.
Im Zuge dieser Entwicklungen haben sich neue Mnemotechniken herausgebildet, die mit Mythen und Narrationen vergleichbar sind, wie sie aus vorschriftlichen Zeiten bekannt sind. Insofern kann etwa die Mem-Kultur als Resultat einer neuen Mündlichkeit angesehen werden, die durch Echtzeit-Kommunikation und Livestreaming entstanden ist.
Wir werden sowohl klassische Texte zur Fernseh- und Medientheorie lesen als auch aktuelle Statements zu den sogenannten „neuen Medien“. Zudem werden Beispiele aus einschlägigen Social-Media-Plattformen wie Tumblr, Instagram (Stories) und Snapchat besprochen.