Birdtalk von Richard Prince – Politische Aktion, Konzeptkunst oder einfach uncool?

Manchmal gibt es verrückte Geschichten in der Kunstwelt. Vor zwei Jahren hat Richard Prince ein Bild von Ivanka Trumps Instagram-Account „geklaut“, eigentlich „appropriated“, dann hat die Tochter des angehenden Präsidenten der Vereinigten Staaten ihr eigenes Bild mit der Signatur von Prince quasi zurückgekauft und schließlich zieht der Künstler seine Autorschaft – die er dem Instashot erst willkürlich aufgedrängelt hatte – wieder zurück. Allerdings nicht in einem abstrakten Gestus, sondern tatsächlich – auch das Geld hat er den Trumps angeblich zurück überwiesen.

Öffentlich gemacht wurde das ganze auf Twitter. Und diskutiert wird die Aktion vor allem unter dem Label politische Kunst. Jerry Saltz bestätigte das wiederum mit einem eigenen Tweet, in dem er auch die anderen Künstler der Sammlung des Paares Jared Kushner und Ivanka Trump zur Rücknahme der Autorschaft aufruft. Hintergrund dürfte der baldige Antritt des Präsidenten sein, weshalb sich bereits zahlreiche Prominente und Künstler in der Öffentlichkeit von Trump distanzieren oder gar gegen ihn protestieren. Richard Prince ist da keine Ausnahme, sondern die Regel.

Als ich die Tweets von Prince gelesen habe, hat mich zwar ein Unbehagen befallen, aber ich war auch nicht ganz sicher mit meiner Einordnung. Während der gesunde Menschenverstand in mir darauf pochte, das ganze als lustigen PR-Gag abzutun, haderte mein Glaube an das Gute im Menschen mit dieser Einschätzung: Gesteht er sich nicht doch vielmehr einen Irrtum ein, bereut sogar den Verkauf an die Familie Trump? Andererseits inszeniert sich Richard Prince im allgemeinen eher als „Bad Boy“. Am lautesten schlug jedoch mein Kunstwissenschaftlerinnen-Herz. Und das sagte mir: Könnte hier nicht auch eine geniale und konsequente Weiterentwicklung seines Werkes vorliegen, dass sich ja gerade durch die Dekonstruktion von Konzepten der Autorschaft auszeichnet? Ist es nicht eine virtuose Umkehrung, wenn er fortan nicht mehr fremden Werken die eigene Autorschaft auferlegt, sondern sie ihnen wegnimmt? Und zugleich eine angemessene Reaktion auf die politische Situation in seinem Land?

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Am Ende überwog dennoch das Unbehagen, nicht zuletzt wegen der insgesamt zunehmenden Emotionalisierung von Diskursen. So kann nämlich die Leugnung der Entscheidung des Verkaufes und des Werkes, wie ich das sehe, nicht als bloßer cooler Gestus eines Künstlers verstanden werden, der sich selbst nicht ernst nimmt. Das wäre vielleicht so gewesen, wenn Prince es bei dem affektiven Gestus, einem Tweet mit der Ablehnung der Autorschaft, belassen hätte. Aber durch die Rückgabe des Geldes, von 36.000 Dollar – was für beide Parteien nicht viel sein dürfte –, versucht er daraus wieder ein Werk zu machen. Und das auch noch unter dem Label von Political Correctness. Sosehr er also einerseits nichts auf seine Künstler-Moral gibt, so sehr begibt er sich auf das moralische Feld politischen Protestes. Und verkauft uns das nun wieder als Kunst. Dabei nutzt er einfach die Gelegenheit, sich auf die unter Intellektuellen beliebte Seite des politischen Diskurses und der Aufmerksamkeit zu rücken. Und das macht diesen Gestus, der als Kunstaktion stilisiert wird, doch ziemlich unglaubwürdig.

Wie gesagt, ich würde hier nicht mit Moral argumentieren, lägen der Aktion nicht selbst genaue Moralvorstellungen zugrunde. Aber da dem so ist, wird nicht nur fragwürdig, warum er dann überhaupt an Trump verkauft hat – der ja nicht erst seit seinem President-elected-Status bekannt für Populismus, Anti-Feminismus und Fremdenfeinlichkeit ist. Sondern – und hier zitiere ich Nils Pooker, der in einer Diskussion zu dem Thema auf meiner Facebook-Seite schrieb: „Trump verweigert einem Journalsiten das Wort, Prince verweigert den Kindern von Trump seine Autorschaft. Das ist nicht mal Gleiches mit Gleichem vergelten, das ist Kindergartenniveau.“ Tatsächlich nimmt Prince Ivanka Trump in Sippenhaft und bestraft sie für das Verhalten ihres Vaters. Sollte man das nicht fragwürdig finden?

Doch es gab auch andere Perspektiven unter den Diskutierenden auf Facebook. So wurde der Tweet („This is not my work. I did not make it. I deny. I denounce. This fake art.“) etwa auch deswegen als politisch wahrgenommen, da er gekonnt auf die sonst von Donald Trump angeprangerten „Fake News“ reagiert. Das wäre ja als Parodie auch ganz nett. Aber auch hier wurde durch die Rückzahlung des Geldes etwas zu viel Ernst daraus gemacht.

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Ein weiterer Tweet von Richard Prince lautet: „I sold them 2 years ago & returning the money is making them small again.“ Sich erst am „Great again“ beteiligen, um Trump anschließend wieder „Small again“ zu machen? Nebenbei bemerkt: eine Geste erheblicher Künstler-Arroganz. Als würde es Donald Trump irgendetwas ausmachen, dass Richard Prince ihm ein Werk im Wert von 36.000 Dollar weggenommen hat. Aber bezieht sich das ganze wirklich auf die aktuelle politische Situation in Amerika. Oder geht es nicht doch um etwas anderes?

Eine solche Argumentation kann nur von einem Künstler kommen, der weiß, dass Kunstwerke immer zuallererst intellektuell besprochen werden und meistens nicht vor dem Hintergrund soziologischer oder ökonomischer Fragen. Er weiß, dass niemand die Tatsache infrage stellen würde, dass er sein Werk vor nicht einmal zwei Jahren an die Familie Trump verkauft hat,  – weil es so selbstverständlich ist, dass Moral und Kunstmarkt nichts miteinander zu tun haben. Und er weiß sogar, dass er jetzt, wenn es virulent wird, Moral und Kunstmarkt doch wieder zusammen denken kann, weil es zuallererst als Konzept rezipiert werden würde.

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Und tatsächlich stellt auch niemand Fragen wie zum Beispiel: Warum hat Richard Prince das Bild von Ivanka Trump überhaupt ausgewählt? Vielleicht ja schon mit der gezielten Aussicht auf einen Verkauf? Übrigens hat er laut Hyperallergetic auch aus einem Instagram-Bild von Vater Donald Trump ein Werk gemacht. Was ist eigentlich damit geschehen? Hyperallergetic hatte den Künstler per Email gefragt, wie er dazu stünde, eine so fragwürdige Figur wie Trump in seiner Arbeit zu repräsentieren. Seine Antwort lautete: “What is politics I don’t believe in that crap […] Fascism’s been done before but if you think about it not really in America and anyway Trump is an interesting guy.” Es wäre durchaus realistisch, dass die beiden Werke von den Trumps in Auftrag gegeben wurden. Oder von seiner Galerie, von Gagosian. Ist es nicht unglaublich, wie wenig über derartige Vorgänge des Kunstmarktes bekannt sind? Und ja, ich weiß, dass diese Feststellung ein alter Hut ist. Unglaublich ist auch, mit welcher Vehemenz an die uneingeschränkte Freiheit der Kunst geglaubt wird. Und ich verstehe das auch, denn Freiheit ist wichtig und diese Autonomie musste schließlich über ein Jahrhundert lang von den Künstlern erarbeitet werden. Trotzdem muss es auch immer wieder neu überprüft werden. Denn sonst lassen sich Rezipienten, Kritiker und Wissenschaftler entmündigen. Man denke nur an die Urheberrechts-Debatte, die von Wolfgang Ullrich ausgelöst wurde und geführt wird. Zahlreiche Künstler haben eine Abbildung ihrer Arbeit in seinem – wohlgemerkt – wissenschaftlichen Buch verweigert.

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Was am Ende also bleibt, ist das Demonstrieren der Macht eines Künstlers über sein eigenes Werk. „This is not a gesture. This is an action. Something I have control over. A yesOrNo“ antwortet Prince der Autorin Georgina Adam, als sie ihn auf den finanziellen Wertverfall seines Werkes hinweist.

Weder die Gagosian Gallery, noch Ivanka Trump oder Donald Trump haben sich zu den besagten Tweets geäußert. Und Donald Trump gibt sonst immer auf Twitter seinen Senf dazu. Dass wir es trotzdem so ernst nehmen, selbst hier in solch einem Text, darin zeigt sich die Gier nach Konzepten in der Kunst. Vielleicht ist alles sogar nur ein großer Bluff?

Eine Antwort zu „Birdtalk von Richard Prince – Politische Aktion, Konzeptkunst oder einfach uncool?”.

  1. Die ganze Aktion lenkt doch nur krampfhaft gewollt und theatralisch ab von dem peinlichen Fakt, dass es solche Luxus-Künstler wie den Prince überhaupt nur gibt, weil es den Luxuskunstmarkt und reiche, u.a. auch konservative Sammler wie die Trumps gibt (die wiederum von allerlei Ungetechtigkeit profitieren und mit den Mächtigen verbandelt sind).

    Sie waren seine Mäzene. Das will er jetzt in dem Fall mal ungeschehen machen, damals hatte er noch kein Problem damit. So wie die Trumps und geistesverwandte Sammler ihrerseits scheinbar auch wenig Probleme haben mit der ach-so-politischen und widerständigen Kunst, von ihm und anderen. Das ist alles natürlich schon ziemlich peinlich, aber jetzt weniger für Trump oder Ivanka. Von der war es ja eher lässig, das eigene Bild von ihm noch mal zu kaufen. Let’s face it: tauchte das Bild jetzt bei einer Auktion auf, „unbekannter Künstler“ 😉 etc. Wäre es dann wohl eher teurer oder billiger als andere Prince-Werke? Es „ist“ jetzt ja nicht mehr „von ihm“. Oder hat er doch nicht diese Macht es zu widerrufen und die soziale Übereinkunft ist weiterhin, dass es doch noch bisschen von ihm ist? Am Preis könnte man es ablesen. Es klebt jetzt an ihm wie Sch… am Schuh. Er wird es nicht los. Er hat sich hier keinen Gefallen getan, aber das schlechte Gewissen hat ihn wohl geplagt oder Imagesorgen.

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