Man lobt sie, die dicke und die große und die kleine Barbie. Nur die normale, die mag man nicht. Weil sie unnormal ist. Organe würden da keine reinpassen. Aber seit wann sollen da Organe rein, in eine Puppe?
Es scheint so, als hätten die Barbie-Kritiker/Innen selbst nie mit einer Barbie gespielt. Ich habe hingegen viel mit Barbies gespielt, sehr viel sogar. Ich hatte mehr Barbies als alle meine Freundinnen. Und ich hatte sämtliches Zubehör: das Barbie-Cabrio, den Barbie-Pferdestall inklusive diverser Pferde, den Barbie-Wohnwagen, ja, sogar das Barbie-Flugzeug. Meine Barbies waren manchmal blond, manchmal brünett und trugen Kleider, Jeans oder Kostüme. Aber eigentlich war mir all das ganz egal. Eine Barbie war mir nur ein rohes Medium, dem ich beliebige Rollen zuweisen konnte und das ich auch optisch veränderte. Zum Leid meiner Eltern, die sie für mich erworben hatten - also dafür Geld ausgaben - habe ich den Barbies die Haare abgeschnitten und nicht selten auch noch mit dem Lippenstift meiner Mutti rot eingefärbt. Manchmal habe ich ihnen aber auch Rasta-Zöpfe geflochten. Ein anders Mal habe ich ihre Körper mit Abzieh-Tattoos aus der Wendy (einem Pferdemagazin) beklebt, oder ihnen Schmuck gebastelt und mir vorgestellt, dass es ganz teurer Schmuck ist. Es kam auch vor, dass ich den Barbies mit einer Nagelpfeile die Brüste abgeschabt habe - entweder weil sie mir zu groß waren, oder weil ich ein Mann aus ihnen machen wollte - dabei musste man immer aufpassen, weil die Barbie-Körper innen hohl sind (genau, ohne Organe), und wenn man es übertrieben hatte, Löcher entstanden.
Ich glaube nicht, dass mich die Taille der Barbie interessiert, geschweige denn unter Druck gesetzt hatte. Eigentlich dachte ich nie darüber nach, schließlich hatten auch alle Kens und Shellys die gleichen Maße. Es war eben eine einheitliche Puppe.
Die neuen, unterschiedlichen Maße machen hingegen zweierlei: einerseits richten sie die Aufmerksamkeit erst auf Ideale, auch wenn es davon mehrere gibt, andererseits töten sie - je spezieller sie im Typus angelegt sind - jede Fantasie.
Man darf nicht vergessen, dass es auch Menschen geben wird, die vielleicht gar keiner Barbie, nicht mal der dicksten, entsprechen, weil sie zum Beispiel noch dicker sind. Sie merken, dass es so viele unterschiedliche Typen gibt, aber sie gehören nicht dazu. Welche Frustrationen das auslösen wird, möchte man sich gar nicht vorstellen. Sonst gab es Barbie und die war eben so, wie sie war. Und man konnte auch mit ihr machen, was man wollte, weil sie unspezifisch war.
Die Logik, mit der eine dicke, kleine, große oder blauhaarige Barbie auf den Markt kommt, unterscheidet sich nicht von jener, die eine Kritik an der alten Barbie ausgelöst hat. Dann doch gleich lieber ein dickes Standardmodell.
Wäre die alte Barbie von emanzipierten und aufgeklärten (zum Glück!) Müttern nicht so verurteilt - wäre sie also nicht derartig negativ konnotiert - würde sie vielleicht sogar erfolgreicher sein denn je. Immer früher sind auch Kinder an die sozialen Netzwerke angeschlossen, und dort ist erfolgreich, woran man seine Kreativität ausleben kann. Dort kommt an, was einfallsreich ist. An der alten Barbie - oder zumindest einem anderen rohen Standard-Modell - ließen sich doch auch Kompetenzen erproben, die gefragter sind denn je. Die Kompetenz, ein Ausgangsmaterial nach eigenen Interessen oder bestimmten Kontexten zu verformen und damit erst interessant zu machen.
Überhaupt fragt sich selten jemand, wie Kinder eigentlich mit Barbies spielen. Vielleicht ist das auch irrelevant, weil „spielen“ schon alles sagt - sie machen etwas mit ihnen, sind aktiv im Umgang mit einem bloßen Spielzeug und rezipieren es nicht.
Wie spielen Kinder heute mit Barbies? Das weiß ich nicht, aber sicher werden Entscheidungsschwierigkeiten auf sie zukommen. Nicht nur, welche dieser Barbies man sich wünschen, sondern auch, zu welcher man sich zuordnen soll. Bin ich eher wie die Dicke oder eher wie die Dünne? Das werden sich die kleinen Kinder nun fragen müssen. Schade eigentlich.

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