Out now: Mein KUNSTFORUMS-Band zu CUTENESS
- annekathrin kohout
- 21. Mai 2023
- 2 Min. Lesezeit
Niedliche Kunst? Das galt lange als Widerspruch in sich. Kunst konnte vieles sein - aber gewiss nicht süß. Wahrend durch Readymades, Pop Art oder Appropriation Art andere Motive der Konsum- und Populärkultur selbstverständlich aufgegriffen wurden, blieb „Cuteness“ lange eines der letzten Tabus in der Bildenden Kunst. Doch durch Globalisierung und Soziale Medien werden etablierte Kunstvorstellungen und Werkformen immer wieder herausgefordert - so auch, indem das Niedliche in den Bereich der Bildenden Kunst vordringt. Aber warum beschäftigen sich Künstlerïnnen mit dem Niedlichen und nutzen diese Ästhetik: Was schafft diese neue Faszination für eine solche ästhetische Kategorie? Welche kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen erfordern eine Bildwelt, die tröstend und lieb ist? Eine Wirkung, die nicht auf Distanz, sondern auf Nähe beruht? Wie sieht die kritische, affirmative oder provokative künstlerische Auseinandersetzung mit Niedlichkeit aus?
Ich durfte als Gastherausgeberin für das KUNSTFORUM International einen Band zu diesem Thema konzipieren. Mein einleitender Essay macht den Auftakt. Darin gehe ich der Geschichte des Niedlichen und ihrer bis ins 18. Jahrhundert zurückgehenden Rezeption nach. Ich stelle die Beobachtung in den Raum, dass Niedlichkeit innerhalb der Kunst seit einigen Jahren nicht mehr nur als Kitsch abgetan wird, sondern darin trotz vielfacher und starker Ressentiments aus verschiedenen Richtungen und Gründen zunehmend eine eigenständige ästhetische Kategorie gesehen wird - teilweise sogar eine explizit nicht-patriarchale Ästhetik.
Ich freue mich, dass eine Arbeit von Leslie Holt aus ihrer Werkserie „Hello Masterpiece“ gewissermaßen den Auftakt in das Heft macht: Eine Figur des berühmtesten Sanrio-Charakters der Welt –Hello Kitty– stellt sie in das bedeutendste Konzeptkunstwerk der Moderne: Marcel Duchamps „Fountain“. Ich könnte ein ganzes Buch über diese Arbeit schreiben…an dieser Stelle vielleicht so viel: Sie verkörpert für mich die Charakterisierung von Niedlichkeit als ‚kleine‘ Ästhetik von und für Frauen, die seither zunächst der ‚großen‘ Erhabenheit und später ‚spitzen’ Avantgarde programmatisch gegenübergestellt wurde. Diese kleine Geste von Holt und dass sie Kitty einen Regenschirm tragen lässt, ist für mich eine zugleich einfache und subtile Ermächtigungsgeste, mit der sie außerdem auf kokette Weise etwas macht, das im Band immer wieder eine Rolle spielt: den kunsthistorischen Kanon kritisch befragen.
In weiteren Essays von mir und meinen Gast-Autorïnnen Joseph Imorde, Elena Korowin, Katrin Köppert, Wolfgang Ullrich und Katja Gunkel wird die Geschichte des Niedlichen vom japanischen Kawaii über Catcontent bis in die Gegenwartskunst von Künstlerïnnen wie Cosima von Bonin, Avery Gia Sophie Schramm, Mona Broschár, Stefan Rinck, friendswithyou oder Marc Ryden aufgezeigt.
Am 30.5.2023 findet in der Galerie für zeitgenössische Kunst in Leipzig eine Präsentation der Zeitschrift statt. Weitere Hinweise dazu HIER.
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