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Die Rache der N̵e̵r̵d̵s̵ Techmilliardäre

Autorenbild: annekathrin kohoutannekathrin kohout

Die sanften Nerds von gestern sind die autoritären Techmilliardäre von heute. Das kommt nicht unvorhergesehen, denn ein zentrales Motiv des Nerds war schon immer: Rache.



Fünf Techmilliardäre thronen auf ihren VIP-Plätzen bei Donald Trumps Amtseinführung und blicken auf die Masse herab. Elon Musk, Jeff Bezos, Mark Zuckerberg, Tim Cook, Sundar Pichai – die einstigen Eigenbrötler, aufgestiegen zur neuen Machtelite. In den sozialen Medien wird das Bild vielfach kommentiert: So haben wir uns die Rache der Nerds nicht vorgestellt! Der Verweis auf den Kultfilm Revenge of the Nerds (deutsch: Die Rache der Eierköpfe) von 1984 vollzieht eine besorgniserregende Entwicklung nach: Was als Geschichte der Emanzipation des von dominanten Footballspielern und anderen richtigen Kerlen unterdrückten Nerds begann, mündet in eine digitale Oligarchie, in der einst vermeintlich Progressive nun selbst als Techbros und Plattform-Monopolisten über Meinungsfreiheit, politische Diskurse und digitale Infrastrukturen bestimmen.


Die Nerdfigur ist komplex. Ihre Historie reicht tief in die amerikanische Kulturgeschichte zurück. Als der Republikaner Dwight D. Eisenhower bei der Präsidentschaftswahl 1952 seinen demokratischen Gegner Adlai Stevenson als "egghead" beschimpfte, zielte er auf dessen elitäres, akademisches Gehabe. Das war damals ein beliebter antiintellektueller Kampfbegriff der amerikanischen Rechten – und zugleich ein direkter Vorläufer des Nerdstereotyps: Beide Figuren teilen sich die markante Physiognomie des "Eierkopfs" mit schütterem Haar, Brille und schmächtigem Körperbau, beide gelten als weltfremde Kopfmenschen, denen es an Empathie und sozialer Intelligenz fehlt. Eisenhower gewann die Wahl.


Heute aber kokettieren die einflussreichsten Nerds des Silicon Valley ausgerechnet mit jenem politischen Lager, das ihren Typus einst als "egghead" verspottete. Mehr noch, sie forcieren den ohnehin grassierenden Antiintellektualismus noch, verhöhnen mit Formulierungen wie "woke mind virus" sowohl Natur- als auch Geisteswissenschaften. In dem fest in der Silicon-Valley-Ideologie verankerten Kult des "Machens" ohne Rücksicht auf Konsequenzen spiegelt sich diese antiintellektuelle Einstellung besonders wider, die Handeln über Nachdenken stellt und die Bedeutung von Reflexion, Analyse und Voraussicht ignoriert. Eingefangen in Mantras wie Facebooks "Move fast and break things" oder dem neueren "Build it because we can" – bauen, weil wir es können – des einflussreichen Risikokapitalisten Marc Andreessen: Man soll machen, machen und bloß nicht darüber nachdenken. Die Techelite sieht sich selbst als unantastbare Pioniere, die die Welt nach ihren Vorstellungen gestalten, ohne Notwendigkeit für demokratische Legitimation oder Rechenschaftspflicht.


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