Dieser Beitrag wurde zuerst auf der ehemaligen Website von art – Das Kunstmagazin veröffentlicht.
Was sich zunächst wie der Titel eines Horrorfilms anhört, ist eine Protestaktion gegen das Sterben von Flüchtlingen im Mittelmeer. In ihrem Rahmen wurden zunächst Leichen in Italien exhumiert und anschließend in Berlin „würdevoll“ bestattet. Im Anschluss daran wurde über die Social Media zur Errichtung symbolischer Gräber vor dem Bundeskanzleramt aufgerufen. Weit über 5000 Menschen beteiligten sich an dieser Aktion.
Ihre Proteste versteht das ZPS als Aktionskunst, auf ihrer Facebook-Seite bemerken sie: „Kunst muss wehtun. Und die Realität braucht Bauschmerzen, wenn sie sich ändern soll.“ Dieser Anspruch ist avantgardistisch und klingt gut. Doch wem soll „Die Toten kommen“ eigentlich wehtun? Und wem tut sie faktisch weh? Wer fühlt sich angegriffen von einer Kunst, die keine Gegner hat? Da das ZPS für das Gute kämpft, stößt seine Kunst vielmehr auf breite Zustimmung. Niemand möchte sich der Drohung des Torbogens aussetzen, und alle sind angetan von diesem Bild: das Grab als Zeichen für die Flüchtlingspolitik. Schon kursieren Bilder von Gräbern mit der Inschrift „Grenzen töten“ in aller Welt.
All das war auch so geplant, denn das ZPS hatte eigens eine Anleitung in DIY-Ästhetik veröffentlicht, in der erklärt wird, wie sich ein Grab errichten lässt. Auf dem Tumblr Graves for Unknown Refugees werden die Bilder gesammelt und sollen gleichzeitig wieder jene motivieren, die noch kein Grab geschaufelt haben. In diesem Sinne ist die Aktion höchst intelligent. Gekonnt benutzen die Initiatoren die Mechanismen der Social Media und deren Fähigkeit zur Mobilisierung von Massen sowie der viralen Verbreitung von Bildmotiven.
Alle wollen teilhaben an der „moralischen Schönheit“. Und selten war eine Kunst, die wehtun soll, so gefällig. Der avantgardistische Subtext, dass künstlerische Qualität mit Massengeschmack nicht vereinbar ist, scheint ausgelöscht. Aber wieso soll es sich hier überhaupt um Kunst handeln? „Wir verurteilen diesen Akt grober Staatsgewalt in die Kunstfreiheit“, ärgert sich das ZPS über die Absicherung des Kanzleramtes vor der bevorstehenden Demonstration. Dient das Siegel der Kunst hier in erster Linie dazu, vor einem juristischem Zugriff zu schützen?
Dabei würde die Protestaktion ohne das Vorzeichen „Kunst“ sicherlich mehr wehtun. Wäre das Exhumieren und Bestatten von Leichen nicht viel erschreckender und realer, täte man dies ohne artifizierende schwarze Bemalung im Gesicht, so wie sie die Mitglieder des ZPS aufgetragen haben?
Oder wird der Begriff „Kunst“ womöglich herangezogen, um sich nicht erklären zu müssen? Die politische Aussagekraft der Aktion jedenfalls bleibt vage. Auf die Fragen, inwiefern eine solche Aktion die Flüchtlingsdebatte voran bringt, gibt es keine Antwort. Nur einen Blick in Richtung des Torbogens: „Die Flüchtlinge werden einst wir sein.“